Mount Whitney (4418 m) - "The highest peak in the contiguous United States"

Eigentlich begann diese Tour schon vor sechs Monaten: Um
eine zu starke Beeinträchtigung von Flora und Fauna
durch die Bergsteiger zu vermeiden, werden seit dem Jahr
2000 täglich 100 Besteigungsgenehmigungen (Permits) in
der Mt. Whitney Lotterie verlost. Bereits im Februar
hat man sich das entsprechende Antragsformular (siehe Info
am Seitenende) aus dem Internet herunter zu laden und mit
den entsprechenden Angaben an das Parkbüro zu schicken
(bis spätestens 28.02.). Dann heiβt es abwarten.
Anfang März findet dann die Verlosung der begehrten
Besteigungsgenehmigungen statt. Tatsächlich erhielten
meine Ehefrau Beate und ich das Permit für den
09.09.2004 mit der Auflage, es persönlich bis
spätestens 20:00 Uhr des vorhergehenden Tages in der
Rangerstation in Lone Pine, Cal abzuholen.
So standen wir also am 08.09.04 im Büro der Park Ranger und erhielten nach den Unterschriften unter die Umweltschutzbelehrung unser grünes Besteigungspermit:
Letzte Einkäufe wurden getätigt, dann
hieβ es nach einer kurzen Nacht um 2:50 Uhr
"aufstehen". "Wegen einer Bergtour bin ich noch nie so
früh aufgestanden", meinte meine "begeisterte"
Ehefrau. Die Tour beginnt dann mit der nächtlichen
Fahrt von Lone Pine zum Mount Whitney Portal.
Immerhin 1200 Höhenmeter auf 13 Meilen Fahrtstrecke
bis zum Ausgangspunkt der Wanderung. Am Parkplatz ist es
dann auch schon merklich frischer. Vereinzelte Stirnlampen
zeigen, dass auch andere Bergsteiger um diese Uhrzeit (4:00
Uhr) ihren Aufstieg beginnen. Direkt rechts neben dem
kleinen Souvenirladen beginnt der Mount Whitney
Trail: ein für europäische Verhältnisse
gut ausgebauter Wanderweg, der mit moderater Steigung in
unzähligen
Serpentinen an den Berghängen entlang
Höhe gewinnt.
In gemütlichem Schritt geht es schweigsam im Schein meiner Stirnlampe bergan, nur der gelegentliche Blick auf den Höhenmesser zeigt, dass wir langsam und beständig an Höhe gewinnen. Endlich, nach etwa 2 Stunden, irgendwo zwischen Lone Pine Lake und Mirror Lake beginnt es zu dämmern und es werden Einzelheiten des uns umgebenden Gebirgswaldes sichtbar. Wir nutzen diese Zeit für eine kurze Frühstückspause.
Weiter geht es am Mirror Lake und dem dortigen Zeltcamp vorbei. Über einen Höhenrücken - mittlerweile oberhalb der Baumgrenze - erreichen wir das Tal des Lone Pine Creek. Wir befinden uns auf über 3000 Metern und alles wird naturgemäβ etwas kurzatmiger. Immer wieder besteht der Weg aus behauenen Kalksteinstufen, die treppenartig angeordnet sind. Einige Steilstufen sind noch zu erklimmen, bevor wir in den kahlen Talkessel des Consultation Lake kommen. Entlang des Schmelzwassersees geht es noch etwa 15 Minuten weiter bis wir nach ca. 4 Stunden Gehzeit (08:15 Uhr) das in etwa 3580 m Höhe gelegene Trail Camp erreichen. Dieses aus einigen verstreuten Zelten und einer Solartoilette bestehende Camp ist der Lagerplatz für alle Bergsteiger, die den Mount Whitney als Mehrtagestour angehen. Hier gönnen wir uns erst einmal eine ausgiebige Pause.
Nach der Pause beschließen wir, dass ich
alleine zum Gipfel gehen werde. Meine Frau - sie hat hier
im Camp immerhin schon einen persönlichen
Höhenrekord aufgestellt - will gegebenenfalls
später noch gemütlich bis zum Trail Crest
Pass weitergehen. So starte ich gegen 09:00 Uhr zum zweiten
Teil des Anstiegs. Nach einem kurzen Flachstück in
diesem Kalksteinmeer beginnen die berühmten 97
Serpentinen (ich habe nur 94 gezählt) im Anstieg zum
Trail Crest Pass. In gleichmäβiger
Steigung winden sich die Serpentinen die Bergflanke empor,
die einzige Abwechslung stellt eine kurze, mit
Stahlseilgeländer gesicherte Felspassage dar, wo im
Felsschatten noch Eis- und Schneereste liegen. Kurz nach
10:00 Uhr habe ich endlich die Passhöhe in etwa 4100 m
Meereshöhe erreicht. Kalt ist es plötzlich
geworden, ein schneidender Wind bläst über den
Gebirgskamm. Der Blick nach Westen in den Sequoia -
Kings Canyon National Park bleibt in nahen Wolken
hängen. Jetzt wird als erstes die Bekleidung den
veränderten Temperaturen angepasst und der bisher im
Rucksack mitgeschleppte Tourenanorak und die Handschuhe
herausgeholt. Einige andere Sommerwanderer drehen in ihren
Shorts mittlerweile um. Ein kurzes Stück geht der Weg
jetzt auf der Westseite des Bergkammes bis zu einer
Wegeinmündung abwärts. Von Westen trifft hier der
berühmte John Muir Trail - der Weitwanderweg
der Sierra Nevada (vom Mount Whitney Portal bis
Yosemite Valley auf ca. 350 Km oder 4 Wochen
Wanderfreude) - auf den Mount Whitney Trail. Hier,
in einer windgeschützten Felsnische, steht eine Gruppe
von Wanderern, die sich am Ende oder zu Beginn des John Muir
Trails noch den Mount Whitney gönnen wollen.
Die meisten dieser Bergkameraden lassen ihre schweren
Trekkingrucksäcke hier zurück und nehmen nur noch
Wasserflasche und Fotoapparat für den Gipfelanstieg
mit.
Der weitere Gipfelanstieg führt nun über etwa
2 Meilen am Westrand des Bergkammes nach Norden. Langsam,
auch aufgrund der nun doch bedeutenden Höhe, steige
ich weiter. Plötzlich hört der Wind auf, in diese
Windstille hinein fängt es zuerst langsam, dann
stärker an zu schneien. Soll ich so kurz vor dem
Gipfel umkehren? Die Sicht beträgt etwa 10 Meter, nach
einigen Minuten bleibt der Schnee auf den umliegenden
Felsbrocken liegen. Da der Mount Whitney für
seine Blitzgefahr berüchtigt ist, beschließe ich
an der nächsten Wegbiegung umzukehren. Dort begegne
ich aber zwei absteigenden Bergsteigern. Sie kommen vom Gipfel und erzählen, dass es
etwa 100 Meter weiter nicht mehr schneit und am Gipfel
sogar die Sonne scheint. Nun gehe ich doch weiter!
Tatsächlich
hängt hier eine einzige relativ
kleine Wolke am Bergkamm fest und bringt den Schnee.
Neben der Höhe und über 7 Stunden Aufstieg
macht sich auch bei mir die Anstrengung bemerkbar.
Endlich, am rechten oberen Rand einer gleichmäβig ansteigenden Bergkuppe wird das steinerne Gipfelhaus sichtbar. Im Westen wird jetzt noch der Gipfel umrundet, bevor ich den breiten, sanft ansteigenden Bergrücken in Richtung Gipfel gehe. Direkt am Gipfelhaus vorbei führt der Weg zum Gipfelfelsen, den ich um 11:50 Uhr erreiche. Direkt vor mir bricht der Berg in einer Steilflanke nach Osten zum Mount Whitney Portal ab. In der Ferne, 3000 Meter tiefer, ist Lone Pine im Owens Valley zu erkennen. Aufgrund der tief hängenden Wolken ist das etwa 200 Kilometer entfernte Death Valley leider nicht zu sehen.
Zufrieden genieße ich - inmitten anderer
Bergsteiger - die Gipfelrast. Die Wolken steigen höher
und geben schöne Ausblicke auf die im Westen liegenden
Gebiete des Sequoia - Kings Canyon National Park
frei. Die Gipfelbrotzeit muss allerdings sorgfältig
vor den sehr zutraulichen Murmeltieren versteckt
werden.
Um 12:30 Uhr beginne ich dann den langen Abstieg. Gut
erholt geht es recht zügig den Weg Richtung Trail
Crest Pass zurück. Hier hilft der gut ausgebaute
Wanderpfad, der auch ermüdeten und eventuell
unkonzentrierten Gehern ein zügiges Absteigen
ermöglicht. Immer noch kommen mir Bergsteiger
entgegen, die teilweise sehr erschöpft zum
Gipfel wollen. Tagestourengeher, die
nicht spätestens um 14:00 Uhr den Gipfel
erreichen können, laufen Gefahr im Abstieg wieder
in die Dunkelheit zu kommen. Auch mit Stirnlampe und
in ermüdetem Zustand nicht gerade erstrebenswert.
Die Gipfelaspiranten, die nur zum Nachtlager ins
Trail Camp zurück müssen, haben
natürlich eine gröβere zeitliche
Flexibilität.
Im Bereich des Passüberganges gibt es wieder kalte Windböen, die beim Abstieg über die 97 Serpentinen rasch abflauen. In diesem scheinbar nicht endend wollenden Zickzack scheint das Trail Camp nur langsam näher zu kommen.
Als ich dann das Camp erreiche, erwartet mich meine Frau ziemlich verfroren. Entgegen der Aussage des Rangers tags zuvor (25 Grad Tageshöchsttemperatur im Camp), gab es heute kaum Sonnenschein. Nur um nicht beim langen Herumsitzen zu frieren, ist Sie über die Kehren bis fast zum Trail Crest aufgestiegen. Erst der oben angesprochene Schneeschauer bewegte sie zur Umkehr. Sie hat Ihren persönlichen Höhenrekord heute um fast 1000 m nach oben geschraubt.
Nach etwa 20 Minuten Rast beginnen wir gemeinsam den
Abstieg Richtung Mount Whitney Portal. Wir wollen
kurz vor Einbruch der Dunkelheit unten am Parkplatz
sein und legen ein zügiges Tempo vor. Immer wieder
treffen wir auf schwer bepackte Wanderer, die ihr Zelt,
Schlafsack und Verpflegung zum Trail Camp schleppen.
Es ist sicherlich eine philosophische Frage, ob die Ein-
oder Mehrtagestour die einfachere oder erlebnisreichere
Variante für die Besteigung des Mount Whitney
ist.
Kurz vor dem Lone Pine Lake machen wir eine letzte Rast, um für den letzten Abschnitt dieser langen Wanderung gestärkt zu sein. Mittlerweile sind wir auch sehr müde. Als wir dann gegen 18:00 Uhr - nach den letzten "langen" Serpentinen - am Parkplatz aus unseren Bergschuhen steigen, sind wir froh, diese groβe Tour so gut bewältigt zu haben.
Die Dusche im Motel und der groβe Hamburger im Western-Saloon von Lone Pine beenden diesen langen und aufregenden Tag, der seinen Anfang bei einer Lotterie vor fast sieben Monaten hatte.
- Wander- / Trekkingschuhe
- Tourenhose und Anorak
- (Tages-) Rucksack oder groβer Rucksack wenn Schlafsack und Zelt bei Mehrtagestour mitgenommen wird
- Fleecejacke (Windstopper), Mütze und Handschuhe immer empfehlenswert!
Achtung: Der Mount Whitney ist für seine
Blitzschlaggefahr bei Gewittern (meistens nachmittags)
bekannt!
Letzte Aktualisierung am 01.03.2023 20:51:45 Uhr
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