Hvannadalshnúkur (2119 m) - der höchste Vulkan von Island

Länge: 16,67657° W
Morgens um 5:00 Uhr ist Treffpunkt beim Zelt der
isländischen Mountainguides am Zeltplatz im
Skaftafell National Park. Þórður
Bergsson ist unser Bergführer. Mit sechs weiteren
Gästen aus Island wollen wir den höchsten Gipfel
von Island besteigen. Am vorherigen Abend gab es noch ein
kurzes Briefing und den Ausrüstungscheck. Steigeisen,
Pickel und Klettergurt wurden allen Teilnehmern
ausgehändigt.
Mit einem Bus der Bergführerorganisation fahren wir nach
Süden hinaus aus dem Skaftafell National Park und
erreichen in etwa 10 Minuten über die Strasse No. 1
den Parkplatz Sandfell, wo unsere Tour
startet.
Über eine schmale Pfadspur im vulkanischen Boden beginnen wir unsere Tour. Nach wenigen Minuten verlassen wir das flache Sandfell-Areal und beginnen den Aufstieg, der über einen zwischen den Gletschern Falljökull und Kotarjökull liegenden Felsrücken führt. Eine erste Pause wird bei 330 m Höhe eingelegt. An einem kleinen Bach können noch einmal die Wasserflaschen gefüllt werden.
Weiter geht es die schmale Pfadspur über kleinsplittriges
vulkanisches
Steingeröll, das von dicken Moospolstern
überwuchert ist. Buschwerk oder gar Bäume gibt es
hier zwischen den Gletschern nicht. Bei etwa 800 Metern
durchqueren wir eine Wolkenschicht und kommen in die Sonne.
Entlang einer teils mit Schnee gefüllten Rinne geht es
weiter hoch und wir erreichen bei etwa 1000 Metern eine
Kammlinie. Vor uns ist nur noch eine weite
Gletscherfläche zu erkennen, wir stehen am
südlichen Rand des Vatnajökull, des mit
8500 km² gröβten zusammenhängenden
Gletschergebietes Europas.
Wir bilden eine groβe Seilschaft. Unser Guide gibt
für die Isländer noch ein paar Tipps zum Gehen in der
Seilschaft, dann gehen wir los. Der Firn ist in der Nacht
schön angefroren, so dass wir mit unseren Trekkingschuhen in
nicht zu steilem Gelände gut vorwärts kommen. Maximal
20° steil geht es über endlose
Firnflächen empor. Irgendwie ein ungewohntes Gefühl:
In den Alpen bin ich auf dem Gletscher meist ein wenig
kurzatmig, da eine entsprechende Höhenlage die Regel ist.
Hier auf knapp über 1000 Meter erscheint der Aufstieg wie
einer gemütlichen Wanderung.
Als sich das Gelände etwas aufsteilt, legen wir
Steigeisen an und ziehen weiter. Nach der leichten Querung von
einigen schmalen, aber lang gestreckten Gletscherspalten
verflacht das Gelände. Etwa 3 Kilometer weiter im Norden ist
der kleine Gipfelaufschwung des Hvannadalshnúkur zu
erkennen. Doch bis dahin ist es viel weiter: Vor unserem Ziel
liegt die groβe Caldera des
Öræfajökull-Vulkans, die nach Westen in
einen riesigen Gletscherbruch ins Tal abbricht. Auch
unter
der Firnfläche in Gipfelnähe sind viele
Spalten verborgen, deren Lage sich aufgrund des vulkanisch
instabilen Untergrundes sehr schnell ändern kann. In
einem groβen Bogen entgegen des Uhrzeigersinns umgehen
wir den Öræfajökull-Krater. Eine
schier endlose, fast konturlose Fläche. Bei schlechtem
Wetter oder gar einem White-Out ist man hier ohne
ortskundigen Führer, Kompass oder GPS-Gerät
ziemlich aufgeschmissen.
Etwa 90 Minuten benötigen wir, bis wir an der südlichen Flanke des Gipfelaufbaus auf etwa 1950 Metern ein Depot mit unseren Teleskopstöcken angelegen können. Mit dem Eispickel in der Hand gehen wir den letzten Anstieg an. Zwei groβe Serpentinen, einige feste Spaltenbrücken, dann wendet sich die Aufstiegsroute leicht ansteigend nach Osten. Noch etwa 150 Meter geht es über einen breiten Firnrücken weiter. Kurz vor der Gipfelwechte bleiben wir um 13:06 Uhr - nach etwa 8 Stunden Aufstieg - auf dem höchsten Punkt Islands stehen.
Beeindruckend der Rundblick: Über und unter uns
Wolken, im Süden das Tiefland und der Nordatlantik. Im
Norden liegt der riesige Inlandeisgletscher
Vatnajökull, aus dem nur wenige felsige Inseln
emporragen. Eine starke Brise weht über den Gipfel und
lädt nicht zu langem Verweilen ein. Eine ausgiebige
"Gipfelrast" gönnen wir uns dann auch erst nach dem Abstieg
zu unserem Stockdepot.
Es geht die Aufstiegsroute zurück. Die Umgehung der Öræfajökull-Caldera folgt unserer durch die Winddrift kaum mehr sichtbaren Aufstiegsspur. Dann erreichen wir die nach Südwesten abfallenden Gletscherflächen zum Sandfell. Hier ist der gute Firn des Morgens mittlerweile aufgeweicht, so dass wir in teilweise 25 Zentimeter tiefen Schneematsch absteigen müssen.
Endlich erreichen wir das Ende der
Gletscherflächen, wo wir uns aus dem Seil ausbinden
können.
Nach einer Rast geht es jetzt die letzten 900 Höhenmeter über den schmalen Pfad zum Sandfell hinunter. Bei einigen macht sich jetzt doch die Anstrengung der langen Tour bemerkbar, so dass einige zusätzliche Kurzpausen eingelegt werden müssen. Gegen 18:00 Uhr, etwa 13 Stunden nach Beginn der Tour, erreichen wir den wartenden Kleinbus der isländischen Bergführer. Wenig später bin ich wieder im Hotel am Skaftafell-Nationalpark und denke an eine auβergewöhnlich schöne Bergtour zurück.
- Hochtourenschuhe inkl. Steigeisen
- Teleskopstöcke, Eispickel
- Tourenhose und Anorak
- (Tages-) Rucksack, ca. 35 - 40 Liter
- Hüttenschlafsack
- Fleecejacke (Windstopper), Mütze und Handschuhe
Letzte Aktualisierung am 11.01.2023 18:01:07 Uhr
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